Stuttgart – Immer mehr Kinder und Jugendliche im Stuttgarter Stadtgebiet leben auf der Straße. Das belegt ein Bericht der mobilen Jugendarbeit Stuttgart, der dem Stuttgarter Boten vorliegt.
Zelte, Schlafsäcke, Campingutensilien. Was klingt wie die Packliste für den nächsten Campingurlaub ist die Lebensversicherung der vielen Kinder und Jugendlichen, die in Stuttgart auf der Straße leben. 2015 sind es so viele wie nie zuvor. „Wir verzeichnen in den letzten sieben Tagen einen exorbitanten Anstieg an obdachlosen Jugendlichen“, sagt Joachim Fenzel, Sozialarbeiter bei der mobilen Jugendarbeit Stuttgart. Die Gründe für den rapiden Anstieg seien bisweilen nicht bekannt.
Suppenküchen und Tafeln seien bei den jungen Wohnungslosen beliebter denn je. Vor der kürzlich eröffneten Tafel „Foot Locker“ (deutsch: Fuß-Schließfach, Anm. d. R.) auf der Königstraße versammelten sich auch am Mittwoch zahlreiche Jugendliche, mit Hoffnung auf einen warmen Schuh. Laut einer kürzlich veröffentlichten Studie des Human-Care-Instituts in Bochum verliert der Mensch bis zu 70% seiner Körperwärme über die Füße. Ein warmer Schuh kann also Leben retten.
„Ein warmer Schuh am Tag ist ja wohl nicht zu viel verlangt“, erklärt Björn Rettling* verärgert gegenüber dem Stuttgarter Boten. Er muss es wissen. Seit Tagen wartet der 21-Jährige Obdachlose vor der Tafel „Foot Locker“, in der Hoffnung, einen warmen Schuh ergattern zu können. Die Tafel inmitten der konsumorientierten Königstraße setzt damit einen Trend, der als positives Beispiel für die gesamte Fußgängerzone funktionieren könnte.
Da viele der obdachlosen Jugendlichen aus verarmten und bildungsfernen Verhältnissen stammen bringt die Eröffnung der Tafel aber nicht nur Gutes mit sich. Müllberge säumen die sonst so attraktive Königstraße und lassen tief in die Hilfslosigkeit der jungen Perspektivlosen blicken.
*Name von der Redaktion geändert
Text/Bild: Peter Buchholtz
Interessant ist auch, dass die aufstrebedende Konkurrenz „Foot-Lecker“, der Studie des Human-Care-Instituts in Bochum eine Gegenstudie entgegenstellt. Diese besagt, dass immer mehr Obdachlose, Barfuß auf dem Weg sind, um sich eine gewisse ökonomische Freiheit zu gönnen. Schuhlos durchs Leben, das aber mit stolzer Hornhaut, ist inzwischen ein neues Lebensgefühl vieler Wohnsitzloser geworden, mit dem tollen Nebeneffekt plötzlich auf Dr. Scholls Fußdeo verzichten zu können. Auch der Verbandspräsident des deutschen Schuheinzelhandels Dr. Auge vom Huhn, begrüßt diese hoch interessante Entwicklung in der Gesellschaft mit dem Satz: „Endlich entfallen für unsere Verkäufer die lästigen Gasmasken“.